Andrew O´Hagan: Caledonian Road
#1

Campbell Flynn ist ein erfolgreicher Mann. Er stammt aus armen Verhältnissen, hat es aber zum bekannten Kunstkritiker gebracht. Seine Frau ist adelig, sein bester Freund ist ein reicher Geschäftsmann, sein Schwager bis in die höchsten Kreise der Politik vernetzt. Er selbst hat eben mit einem Buch über Vermeer für Aufsehen gesorgt. Campbell könnte also recht zufrieden sein mit sich, wenn da nicht die ständigen Geldsorgen wären. Das Haus im vornehmen Islington, das Landhaus, die Maßanzüge von der Saville Row verschlingen Unsummen, die sich mit seinen Einkünften kaum decken lassen. Deshalb hat er sich auch bei seinem besten Freund viel Geld geliehen. Und deshalb hat er auch aus Kalkül ein provokantes Selbsthilfebuch geschrieben, wobei ein prominenter Schauspieler als Verfasser auftreten soll – ein programmierter Bestseller. Noch ahnt Campbell nicht, dass er damit Ereignisse in Gang setzt, die er nicht mehr kontrollieren kann. Genauso wenig, wie er seinen Lieblingsstudenten Milo kontrollieren kann, der im Geheimen an der Aufdeckung von kriminellen Machenschaften eben jener Gesellschaftskreise arbeitet, in denen sich Campbell bewegt. Campbell merkt es noch nicht, aber sein Untergang ist nur mehr eine Frage der Zeit …
Ein wenig muss man bei diesem Buch an Tom Wolfes „Fegefeuer der Eitelkeiten“ denken. Waren es damals die selbsternannten „Masters of the Universe“ im New York der 1980er, die einer schmerzhaften Untersuchung unterzogen waren, so sind es in diesem Gesellschaftsroman die Seilschaften und Klüngel der britischen „Upper Crust“, in denen die Unterschiede zwischen Torys und Labour Party schon längst verschwunden sind, die in undurchsichtige Immobilien- und Kunstgeschäfte mit russischen Oligarchen verstrickt ist und schon längst den Kontakt zu den „unteren Klassen“ der Gesellschaft verloren hat. Andrew O´Hagan, bereits mehrmals für den Booker Prize nominiert und Mitherausgeber der London Review of Books, seziert in diesem Panorama ein Biotop, das sich selbst genügt und in einer artifiziellen Welt aus Vernissagen und Dinner Partys lebt und dabei die Zeichen der Zeit übersieht oder sogar ignoriert. O´Hagan schreibt flott und pointiert, sein Stil ist dialoglastig – er braucht uns seine Figuren nicht zu beschreiben, sie beschreiben (bzw. entlarven) sich selbst. Wirklich sympathisch ist hier fast niemand, fast jede/r hat eine geheime Agenda. Dass der Roman trotzdem (oder gerade deswegen) großes Lesevergnügen bietet, spricht für O´Hagans Qualitäten.
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