Patrick Rothfuss: The Kingkiller Chronicle (dt. Die Köniksmörder-Chronik)

18.09.2024 10:08
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Normalerweise bespreche ich hier keine Bücher, die ich auf Englisch gelesen habe. Bei diesem (und bei so manchen Stephen King) mache ich aber eine Ausnahme. Einfach deswegen, weil ich es für ein außergewöhnliches Buch halte.

Oder besser gesagt: außergewöhnliche Bücher. Denn es handelt sich um eine Trilogie, bestehend aus den Bänden „The Name of the Wind“ (dt. „Der Name des Windes“) und „The Wise Man´s Fear“ (dt. „Die Furcht des Weisen“, in zwei Bänden erschienen). Und hier liegt auch die Krux: der zweite Band ist bereits 2011 erschienen und seitdem lässt Rothfuss sich Zeit, den dritten Band vorzulegen. Hierin eifert er George R.R.Martin nach, der seine Leser auch seit 12 Jahren auf das Finale von „Song of Ice and Fire“ warten lässt. Allerdings ist Rothfuss um einiges jünger als Martin, was die Hoffnung nährt, dass er die Trilogie noch zum Abschluss bringen wird, während sich Martins Leser zunehmend Sorgen um seinen Gesundheitszustand machen.

Warum also sollte man eine unvollständige Trilogie lesen wollen? Vielleicht deswegen, weil die Serie ein wunderbares Beispiel für „World building“ ist, das den Leser Stück für Stück mit einer komplexen, alternativen Welt bekannt macht. Oder deswegen, weil Rothfuss vielschichtige, glaubhafte, rätselhafte Charaktere erschafft. Oder deswegen, weil er konsequent und immer wieder mit Genrekonventionen bricht. Oder auch deswegen, weil sich Rothfuss sprachlich und stilistisch auf einem Niveau bewegt, an das andere Fantasy-AutorInnen kaum heranreichen (Gene Wolfe, Ursula K. LeGuin oder Mervyn Peake würde mir allenfalls noch einfallen). Kaum jemand würde es wagen, in diesem Genre eine stille, poetische und bizarre Geschichte wie „The Slow Regard of Silent Things“ (dt. „Die Musik der Stille“) zu veröffentlichen – eine von zwei Novellen um Nebenfiguren der Serie. Wobei ich hier als Caveat hinzufügen muss: über die Qualität der deutschen Übersetzungen kann ich keine Aussagen treffen.

Worum geht es also in dieser Serie? Wir befinden uns in einer vage mittelalterlichen Welt, in der Krieg herrscht, wobei anfangs für den Leser noch vollkommen unklar ist, wer hier gegen wen kämpft. In einem abgelegenen Dorf lebt der Wirt Kote ein bescheidenes, unauffälliges Leben. Bis ein Schreiber auftaucht, der ihn dazu provoziert, sich als Kvothe (ausgesprochen wie Quoth – eine hübsche Poe/Pratchett-Referenz) zu enttarnen, einen legendären Magier und Krieger, der vor einigen Jahren spurlos verschwunden war. Um ein für allemal einige der über ihn erzählten Geschichten ins Reich der Legende zu verbannen, erzählt Kvothe dem Schreiber an drei langen Tagen sein Leben, von seiner Kindheit bis zu den Ereignissen, die dazu führten, dass er von der Bildfläche verschwunden war. Durch seine Erzählung lernen wir Stück für Stück die Welt kennen, die verschiedene Länder und Volksgruppen, Gebräuche, die Religion und auch die Geschichten, die sich die Leute so erzählen.

Es gibt hier keine Orks, keine Zwerge und Riesen. Drachen auch nicht (naja …). Und über Elfen erzählt man sich Geschichten, glauben tut aber fast niemand mehr an sie. Magie existiert, ist aber wie die Elfen und Feen eine ferne, vage Erinnerung, die sich mit einem unspezifischen Dämonenglauben vermischt hat. Aber Kvothe hat irgendwie irgendwann in seiner Vergangenheit Ereignisse angestoßen, die fürchterliche Konsequenzen haben werden …

Mehr will ich nicht verraten. Ich kann es auch gar nicht, denn, wie gesagt, Kvothe hat noch nicht zu Ende erzählt – der zweite Band endet in der Nacht des zweiten Tages. Das kann man frustrierend finden. Man kann aber auch die ersten beiden Bände mit Genuss lesen und mit Vorfreude auf den dritten Band hoffen. Alles eine Frage der Perspektive.


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