Peter Henning: Die Tüchtigen

05.10.2022 13:38
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Die erfolgreiche Schriftstellerin Katharina Weskott lädt gemeinsam mit ihrem Mann drei befreundete Paare zu einem verlängerten Wochenende in ein Luxushotel an der holländischen Küste ein. Es gilt, Katharinas 50. Geburtstag zu feiern. Allerdings steht die Feier von Beginn weg unter keinem guten Stern: die beteiligten Personen mögen sich nicht wirklich, Selbstdarstellungssucht, Oberflächlichkeit und viel Alkohol tun das ihrige: die Stimmung kippt. Um den Anschein zu wahren, raufen sich die Teilnehmer immer wieder zusammen, aber die Risse werden zu Gräben, bis das glanzvoll geplante Fest für alle Beteiligten zur Qual wird.

Ein Gesellschaftsroman hätte es wohl werden sollen, wohl auch ein Porträt der 40 – 50jährigen, und eine Satire auf Geltungssucht und Neurosen der oberen Mittelschicht obendrein. Leider gingen diese Vorhaben in Peter Hennings recht umfangreichen Roman alle gründlich daneben. Das beginnt bei den Protagonisten, die nicht klischeehafter sein könnten: die überspannte Schriftstellerin; der Pilot, der jede Flugbegleiterin ins Bett zerrt, die bei drei nicht auf dem Baum ist; der koksende Banker, der illegale Deals macht; der testosterongesteuerte Autohändler; die unausgelastete Luxus-Hausfrau mit Luxusproblemen; der schluffige Kreative mit Depressionen; die Lehrerin mit Mutterkomplex – Figuren wie aus dem Baukasten. Dazu ein Setting, wie es einem kritischen Oberschüler nicht besser einfallen könnte (5-Sterne-Hotel, aber – foreshadowing! - es gibt schlechtes Wetter … welcher vernünftige Mensch fährt auch Anfang April an die holländische Küste?). Um die Klischees noch ein bisschen mehr auszureizen, schütten wir in die Protagonisten noch großzügige Mengen an Alkohol hinein und – wir sind schließlich in Holland - lassen sie ein wenig kiffen. Sex gibt es natürlich auch. Die sich daraus ergebenden Situationen (peinliche Geständnisse und Enthüllungen, „entlarvende“ Selbstoffenbarungen und eine So-gut-wie-Vergewaltigung) sind so vorhersehbar wie die Dialoge. Der üppige Gebrauch von Rufzeichen tut sein übriges, die handelnden Personen sind ständig am Deklamieren – und der Erzähler tut es ihnen gleich. Nach beinahe 700 Seiten ist es dann überstanden und die Protagonisten wollen einander nie wieder sehen. Als Leser kann man das gut nachvollziehen und sich diesem Wunsch vollinhaltlich anschließen.


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