Volker Kutscher: Olympia

06.10.2022 14:36
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Berlin, 1936, eine Woche vor der Eröffnung der olympischen Spiele. Die Stadt hat sich herausgeputzt: antisemitische Propaganda ist aus dem Stadtbild verschwunden, das Regime möchte der Welt ein freundliches Gesicht zeigen. Jede Störung der Inszenierung wird nach Kräften unterbunden, von Heydrich abwärts ortet der Sicherheitsapparat hinter jedem ungeplanten Ereignis eine kommunistisch-jüdische Verschwörung. Auch hinter dem plötzlichen Herztod eines amerikanischen Sportfunktionärs. Es könnte einfach ein normaler Herzanfall gewesen sein … aber was, wenn nicht? Gereon Rath wird, obwohl (oder gerade weil) er als „politisch unzuverlässig“ gilt und von der SS mit Tonbandaufnahmen erpresst wird, ins Olympische Dorf versetzt, um den Tod des Amerikaners aufzuklären. Als sich die Hinweise auf einen Mord häufen, werden diese von höchster Stelle vertuscht, hinter den Kulissen wird aber fiebrig weiter gefahndet. Da geschehen weitere Morde und Rath, der sich wie gewohnt in den Fall verbeißt, muss realisieren, dass nicht nur er, sondern auch seine Ehefrau Charly und ihr ehemaliges Pflegekind Fritze in höchster Gefahr sind …

Volker Kutscher ist spätestens seit der Verfilmung der ersten beiden Rath-Romane unter dem Titel „Babylon Berlin“ eine fixe Größe in der Krimi-Landschaft. Mehr noch: seine Bücher sind der Maßstab, an dem sich jeder andere Krimi mit zeitgeschichtlichem Hintergrund messen lassen muss. Auch für diesen Eintrag in die Rath-Chronik gilt: sauber gearbeitet, gut recherchiert, glaubwürdige Personen, lebendige Dialoge, spannende Handlung. Man kann natürlich darüber diskutieren, ob es glaubwürdig ist, dass die handelnden Personen an sämtlichen einschneidenden Ereignissen der Zeit vor dem 2. Weltkrieg involviert sind (u. a. Nürnberger Parteitag, die Olympischen Spiele – und das zentrale Ereignis des 9. Bandes kündigt sich im aufwühlenden Cliff Hanger-Finale dieses Romans bereits an), das ist aber angesichts der Qualität dieser Reihe kleinliche Beckmesserei. Kutscher hat angekündigt, die Serie bis zum Beginn des 2. Weltkriegs fortzuführen, was noch zwei Bände bedeutet. Die Vorfreude auf diese ist groß – gleichzeitig beschleicht den Leser bereits leise Wehmut, dass dann Schluss sein soll. Wie immer bei Kutscher: Empfehlung.


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