Michael Kumpfmüller: Mischa und der Meister

18.10.2022 09:21
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Mischa studiert in Berlin Slawistik und lernt innerhalb kurzer Zeit zwei faszinierende Frauen kennen. Da ist einmal die ältere, rätselhafte Luna, die ihn zum Essen einlädt und dann zu einem Rundflug über die Stadt mitnimmt. Wohlgemerkt: ohne Hilfsmittel, hier ist wohl Magie im Spiel. Magisch ist auch die Begegnung mit Anastasia, auch sie Slawistikstudentin. Aus reinem Übermut und angeregt durch Dostojewskis Legende vom Großinquisitor rufen die beiden Jeschua herbei – der kurz darauf, angekündigt durch einen versoffenen Engel, tatsächlich erscheint. Jeschua tut eigentlich die nächsten Tage nicht viel, er wandert mit Mischa durch Berlin, bewirkt aber keine Wunder. Und doch: seine Anwesenheit verändert die Menschen, sie werden liebevoller, netter, nehmen mehr Rücksicht aufeinander. Das gefällt natürlich den Mächten der Finsternis gar nicht: sieben Teufel in Begleitung eines Pudels machen sich auf, um Jeschua zu vertreiben …

Paraphrase, Hommage, Pastiche – man kann sich aussuchen, als was man Michael Kumpfmüllers neuen Roman betrachten will. Das Vorbild ist jedenfalls einfach zu identifizieren: Michail Bulgakows „Der Meister und Margarita“ wird hier gehuldigt und das ist würdig und recht, ist er doch einer der großen Romane des 20. Jahrhunderts. Kumpfmüller hat seinen Bulgakow gründlich gelesen (so stammen die Kapiteltitel in seinem Roman aus Bulgakows Werk), dazu noch Dostojewski und einiges anderes an russischer Literatur. Warum er aber aus der scharfen politisch-religiösen Satire eine betulich erzählte Liebesgeschichte im Berliner Studentenmilieu macht, erschließt sich diesem Leser nicht so recht. Das Buch ist nett geschrieben, die Figuren sind nett, die Story ist nett – und das ist das Problem: „Der Meister und Margarita“ ist alles andere als ein „netter“ Roman. Zumal eine derartige Paraphrase, Hommage, Pastiche immer den Vergleich mit dem Vorbild herausfordert – und da bleibt das Original unerreichbar im Vorteil. Hoch gezielt, deutlich verfehlt.


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