Konrad Boguslaw Bach: Der Wisent

02.11.2022 13:23
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In Gajerudki, einem kleinen Nest in Polen, lebt der Mechaniker Heniek. Eigentlich könnte er ganz zufrieden sein, er hat ein kleines Haus, zwei erwachsene Kinder, er kann eigentlich alles reparieren, das nicht funktioniert und hat daher ein bescheidenes, aber solides Auskommen. Wenn da nicht seine geliebte Frau Beatka wäre! Vor einem Jahr war sie im Sommer Zimmermädchen in einem Hotel in Holland und kehrte mit dem Wunsch nach Schönheitsoperationen zurück. Fast alles hat Heniek verkauft, um ihr diese zu finanzieren – und nun hat sie ihn verlassen und ist ins ferne Holland abgehauen. Kein Wunder, dass Heniek in Schwermut versinkt. Da überredet ihn sein Nachbar und bester Freund Andrzej, sie zurückzuholen. Mit wenig Geld, keinen Sprachkenntnissen und ohne Plan, aber dafür einem Mercedes, der ihnen nicht gehört, machen sich die beiden auf die Reise. Die kurz nach der deutschen Grenze durch einen Unfall ihr jähes Ende findet. Doch so leicht geben die beiden nicht auf: gegen alle Widrigkeiten setzen sie ihre Reise in diesem vermaledeiten Europa fort …

Bei diesem Buch fallen einem zuerst filmische Assoziationen ein: es ist ein Road-Movie, ein Buddy-Movie und man kann sich gut vorstellen, was Aki Kaurismäki mit den beiden maulfaulen, aber trinkfreudigen Helden anstellen würde. Das Debüt des zwischen Deutschland und Polen aufgewachsenen Konrad Boguslaw Bach ist aber mehr: es ist ein Buch über Heimat, Zugehörigkeit, Liebe und Freundschaft. Es ist auch ein Buch über richtige und falsche Entscheidungen und über die Fallstricke, die das Leben im Kapitalismus so bereithält (ohne in dumpfe Ost-Nostalgie zu verfallen). Bach schafft eindrucksvoll den Spagat zwischen Komik und Tragik, zwischen obszöner Zote und anrührender Sensibilität. Den titelgebenden Wisent gab es übrigens wirklich: er wanderte 2017 monatelang friedlich in Polen umher, bis er aus unerfindlichem Grund die Oder nach Deutschland überquerte und dort erschossen wurde. So tragisch endet die Geschichte für die beiden reinen Toren Heniek und Andrzej allerdings nicht, auch wenn sie im Laufe der Geschichte gehörig Federn lassen müssen, wobei man als Leser kräftig mitleidet. In Summe ist der Roman von Bach ein kurzweiliges, gut geschriebenes Buch mit liebenswerten Figuren und eine mehr als eindrucksvolle Talentprobe. Gerne mehr davon!


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