John Le Carré - FEDERBALL

07.06.2023 20:52
#1
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Es geht einem irgendwie sehr schwer von der Hand/Feder/Tastatur, dieses Buch in die Rubrik "Agenten- oder Spionage-Thriller" einzustellen. Aber die Literaturbranche verlangt mal wieder nach Kategorien und Schubladen.
John Le Carrè geht mit einem riesigen Bonus ins Rennen. Der Altmeister des subtilen Spionage-Romans will es mit 88 Jahren noch einmal wissen und die Presse überschlägt sich vor Lob und Begeisterung. Also geht man voller Vorfreude ans Lesen des neuerlichen Meisterwerks.
Ein schon etwas älterer Spion kehrt ins gute alte England zurück und wird mangels besserer Aufgaben in eine unbedeutende Filiale in London abgeschoben. Er trifft sich mit aktuellen und früheren russischen Informanten. In seiner Freizeit spielt er mit Begeisterung Badminton, wobei sich sein neuer Federball-Gegner später zum eher halbherzigen Spion für die Russen entwickelt.
Das ist die Story.
Über 90 Prozent des Buches quält sich eine zähe Handlung durch endlose Dialoge ohne Spannung und Esprit. In einem deutschen Finanzamt geht es mit Sicherheit spannender zu als in den Spionage-Abteilungen, die Carré zeichnet. Lange fragt man sich, welche wertvollen Informationen wohl so wertvoll sind? Die Busfahrpläne Londons? Nein, es ist die mögliche Aussicht darauf, daß Großbritannien nach dem Brexit in enge Gespräche mit den USA eintreten wird… Überraschung… Gähn.
Viele Kritiker feiern das Buch als Anti-Brexit-Manifest. Weit gefehlt, allenfalls ein Nebenkriegsschauplatz, wenn Carré dem jungen Ed ein paar hitzköpfige Statements in den Mund legt.
Die längste Zeit fragt man sich, ob Le Carré vielleicht die bewusste Persiflage eines Spionage-Thrillers schreiben und all die James Bonds als langweilige Beamte entlarven wollte. Aber auch diese Hoffnung stirbt im Verlauf des Buchs.
Zur Ehrenrettung von Carré muss man erwähnen, dass dass Buch auf den letzte 20 Seiten sogar so etwas wie einen Hauch Spannung entwickelt. Aber auch das bleibt letztendlich ein Strohfeuer mit einem unlogischen Ende.


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