Robert Seethaler: Ein ganzes Leben.

06.06.2023 07:03
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Nach dem Tod seiner Mutter wird Andreas Egger - etwa vierjährig - seinem Onkel Hubert Kranzstocker übergeben. In dem kleinen Ort hat sich seit Generationen nichts verändert, der Bauer herrscht über Familie und Gesinde, wenn es sein muss auch mit brutaler Gewalt. Andreas erleidet einen bleibenden Schaden an einem Bein bei einem solchen Gewaltausbruch, seitdem hinkt er.

Er wächst heran, seine Bedürfnisse sind so bescheiden wie die Möglichkeiten sie zu befriedigen. Er arbeitet - als Hilfsknecht, beim Bau einer Bergbahn -, im Grunde ist es egal, er ist anspruchslos, Ehrgeiz oder Neid kennt er nicht.

Dann begegnet er Marie und weiß, mit ihr will er leben; ein kleines Grundstück, ein Haus hoch oben, das ist das Glück. Bis eine Lawine alles in den Abgrund reißt, außer ihm, der mit bloßen Händen den Schnee durchwühlt, um sie zu retten. Vergeblich

Der Krieg bricht aus, es ist der Erste Weltkrieg, Egger wird Soldat und gerät in russische Gefangenschaft. Als er nach acht Jahre in sein Dorf zurück kehrt bleibt er für sich, führt Touristen über die Berge, lebt unter ärmlichsten Umständen und mit 79 Jahren stirbt er.

Ein „einfacher“ Mensch, dem vieles widerfährt, der es nimmt wie es kommt (außer dem Tod seiner schwangeren Frau Marie), der das Glück nur für kurze Zeit erlebt und alles andere als schicksalhaft erduldet. Seethaler schildert dieses Leben ohne Pathos und doch immer wieder ergreifend („ein jeder hinkt für sich alleine“). Es liegt ein melancholischer Schleier über dem Text, dem man sich widerstandslos hingibt. Jedenfalls ging es mir so..


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