Karl Ove Knausgård: Das dritte Königreich

08.08.2024 13:50
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Auch in Norwegen kann es heiß sein. Die Künstlerin Tove verbringt mit ihrer Familie diese Sommertage am Land. Entgegen der Vereinbarung mit ihrem Mann Arne beginnt sie wieder zu malen, was sich schnell zu einem wahren Rausch entwickelt. Ist es ein Kreativitätsschub oder doch wieder, wie von Arne befürchte, ein manischer Schub? Line hingegen hat Schmetterlinge im Bauch: sie hat sich verliebt. Aber der Betreffende ist nicht irgendwer, sondern der Frontman einer legendären, mysteriösen Black Metal-Band, der Line in eine ihr unbekannte Welt einführt. Mit Black Metal ist auch der Kriminalist Geir konfrontiert, ermittelt er doch im bizarren, grausamen Mord an drei Mitgliedern einer Band dieses Genres. Und der Bestatter Syvert muss feststellen, dass in ganz Norwegen offenbar niemand mehr stirbt. Haben diese Vorgänge mit dem Stern zu tun, der seit kurzem am Himmel zu sehen ist.

Karl Ove Knausgård hat einmal in einem Interview anlässlich seines autofiktionalen Projekts gesagt, er schreibe über sein Leben, weil ihm für Fiktion die Fantasie fehle. Mit seinem neuen Zyklus (Rezensionen der beiden ersten Bände hier: Karl Ove Knausgård: Der Morgenstern, Karl Ove Knausgård: Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit) beweist er nun das Gegenteil. Mit dem dritten Band kehrt er wieder zur Struktur des ersten Bandes zurück. War der zweite Band ganz auf Syverts Jugend und das spätere Treffen mit seiner unbekannten Schwester fokussiert, folgen wir in diesem Band wieder mehreren Figuren. Einige davon kennen wir schon: den manischen Schub Toves haben wir schon im ersten Band aus der Perspektive Arnes erlebt, diesmal sehen wir die Ereignisse durch ihre Augen. Geir ermittelt offiziell in dem Mordfall, den wir durch den versoffenen Journalisten Jostein kennen gelernt haben. Und auch die Pfarrerin Kathrine hatte schon im ersten Band ihren Auftritt.

Ich habe in meiner Rezension den ersten Band mit Stephen King verglichen. Dieser Vergleich ist auch hier wieder angebracht, denn über den ganzen Geschehnissen hängt eine Atmosphäre der Bedrohung. Es gibt (bis auf die Beschreibung der drei ermordeten Bandmitglieder) keine Schockmomente, und doch macht sich beim Lesen des Buches ein latentes Gefühl des Unbehagens breit (was, nebenbei gesagt, ohnehin die größere Kunst ist). Wohin das ganze führen soll, ist noch in keinster Weise absehbar. Knausgård hat weiterhin sehr viele Bälle in der Luft – und jongliert souverän weiter. Nach für seine Verhältnisse bescheiden bemessenen 650 Seiten lässt er diesen Leser mit einem Cliffhanger und gierend nach der Fortsetzung zurück.


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