Andrea Giovene: Die Autobiographie des Giuliano de Sansevero – Die Jahre zwischen Gut und Böse

02.03.2023 13:25
#1
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1925. Giuliano hat sich von seinem adeligen Elternhaus losgesagt und Neapel verlassen. Zuerst versucht er in Mailand als Journalist und Schriftsteller Fuß zu fassen, wobei er schon bald wegen einer Lappalie beim faschistischen Regime aneckt. Auf Anraten eines Onkels absolviert er seinen Militärdienst, eine Episode, die mit einer ungewollten Schwangerschaft und einem Duell endet. Dann verschlägt es ihn nach Rom, wo er in einem Palazzo voller skurriler Gestalten unterkommt und weiter an seiner Schriftstellerei arbeitet, zum Broterwerb sich aber um ausländische Reisende kümmert. Dieser Tätigkeit geht er im Anschluss auch in Paris nach, bevor ihn die Nachricht vom baldigen Tod seines Vaters zurück nach Neapel führt. Er kommt zu spät, kann aber auch in der allgemeinen Trauer keinen erneuten Kontakt zu seiner Familie herstellen. Und erneut, wie schon in den Stationen vorher, verliebt er sich unglücklich. Die unerwartete Erbschaft der Landgüter eines Onkels ermöglicht ihm den Entschluss, sich von der Gesellschaft zurückzuziehen und sein Glück in einem Leben auf dem Lande zu suchen.

Der zweite Band von Andrea Giovenes großem Romanzyklus (Rezension des ersten Bandes hier: Andrea Giovene: Die Autobiographie des Giuliano di Sansevero – Ein junger Herr aus Neapel) führt den Leser durch ein Europa am Vorabend des 2. Weltkriegs und durch mehrere Milieus. In Mailand lebt Giuliano in einer bohèmienhaften Halbwelt, in Ferrara in der reglementierten Welt der Kavallerie, in Rom schließlich im Umfeld verschrobener Intellektueller. Allen begegnet er mit vorurteilsfreier Zugewandtheit, beobachtet, reflektiert. Im Hintergrund festigen die Faschisten ihre Macht, ein Phänomen, das Giuliano zwar registriert, sogar unmittelbar zu spüren bekommt, ihn aber nicht stark zu berühren scheint. Seine persönliche Entwicklung ist für ihn wichtiger als die äußeren Umstände. Das spiegelt sich auch in der Erzählhaltung des Buches wider: das Tempo ist gemächlich, das Buch ist langsam erzählt und will auch langsam gelesen werden (nicht nur hier gibt es deutliche Parallelen zu Proust). Die beinahe burlesken Episoden im Mailand weichen bald einem ernsthafteren Ton, die Handlung wird oft von psychologischen und philosophischen Einschüben unterbrochen. Stilistisch ist das ohne Fehl und Tadel und es sei erneut die übersetzerische Grandezza von Moshe Kahn erwähnt. So ist auch dieser zweite Band allen, die diesen vergessenen Schatz der italienischen Literatur entdecken wollen, empfohlen.
(P.S. Der dritte Band ist bereits erschienen, die Bände 4 und 5 folgen im Laufe des Jahres.)


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02.03.2023 16:56
#2
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Der 3. Band (Das Haus der Häuser) war 2010 schon mal im Osburg Verlag erschienen. Ich bin durch Zufall damals darauf gestoßen. Und jetzt hadere ich, ob ich mir den 3. Band nochmal in der im Galiani Verlag erschienen Ausgabe kaufe. Beide Ausgaben sind textidentisch, aber es sähe natürlich besser aus im Bücherregal. Wie gesagt: Ich hadere...


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